Anhand der Ergebnisse des Global Entrepreneurship Monitors (GEM) (Datensatz 2005–2020, repräsentative Bevölkerungsbefragung) wird dargestellt, wie sich das Gründungsgeschehen in Deutschland und die Geschlechterquoten im Zeitverlauf entwickelt haben. Analysiert werden die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 sowie der Coronakrise 2020/21 auf Unternehmensgründungen bei Frauen und Männern und mögliche Lerneffekte für zukünftige Gründende und deren Ausbildung. Es zeigt sich, dass Krisen das Gründungsklima in Deutschland belasten, aber die Auswirkungen bei Frauen und Männern unterschiedlich sind. Weiterhin ist zu sehen, dass Gründungen mit digitalen Geschäftsmodellen das Innovationsgeschehen beleben.

Eins steht fest: Gerade in Krisenzeiten kommt Gründerinnen und Gründern eine große Bedeutung zu. Von ihnen hängt es unter anderem ab, ob und wie schnell sich die Wirtschaft nach der Krise erholen kann. Hierfür müssen neue Firmen entstehen, die den veränderten, wirtschaftlichen Herausforderungen entgegentreten. So können Wirtschaftskrisen für Gründungen Herausforderung und Chance zugleich sein: Einerseits führen sie zu großer Unsicherheit, andererseits ergeben sich auch neue Möglichkeiten und Geschäftsmodelle.

Die Gründungsquoten in Deutschland 2005–2020

Wie in der Abbildung zu erkennen ist, unterliegen die Gründungsquoten in Deutschland im Zeitverlauf einigen Schwankungen. Während die Total early-stage Entrepreneurial Activity (TEA)-Quote* im Zeitraum 2005–2010 auf ca. 4 Prozent sank, zeichnete sich im Jahr 2011 ein Startup-Hoch mit einer Gründungsquote von 5,6 Prozent ab. Dieses Hoch lässt sich vor allem durch den deutlichen Anstieg von Chancengründungen erklären. In den darauffolgenden Jahren (2012 bis 2018) zeigten sich bei den Gründungsquoten nur leichte Veränderungen. Im Jahr 2019 hingegen wurde eine historisch hohe TEA-Quote erreicht: 7,6 Prozent der Deutschen haben 2019 ein Unternehmen gegründet, oder sind gerade dabei, eines zu gründen. 2020 ist die Gründungsquote erwartungsgemäß durch die Coronakrise gesunken, und zwar mit etwa 4,8 Prozent auf das Niveau vor der Krise. Viele werdende Gründende haben 2020 ihre Gründung nicht weiterverfolgt und diese erstmal aufgeschoben (KfW Gründungsmonitor 2021).

Die Gründungsquoten von Frauen und Männern in Deutschland 

„Ein positiver Aspekt fällt bei Betrachtung des Verhältnisses von weiblichen und männlichen Gründungspersonen auf: während der Pandemie haben sich weibliche Gründerinnen als krisenfester erwiesen als ihre männlichen Kollegen. Ihre Gründungsquote sank kaum, während die der Männer um 4,5 Prozentpunkte sank. Dadurch hat Deutschland im Jahr 2020 unter den einkommensstarken Ländern nun sogar eines der ausgeglichensten Verhältnisse von weiblichen und männlichen Gründenden und belegt damit international Platz drei! Damit bleiben die Gründungszahlen der Frauen während der Coronakrise ähnlich stabil wie in den Jahren 2008 und 2009. Offenbar scheinen sich Frauen schneller auf die neuen Krisenbedingungen eingestellt zu haben als Männer. So haben Gründerinnen 2020 häufiger als Gründer Geschäftsmodellanpassungen vorgenommen (KfW Gründungsmonitor 2021). Das kann jedoch auch ein Brancheneffekt gewesen sein, da mehr Frauen im Bereich persönlicher Dienstleistungen gründeten, diese stark von den Coronarestriktionen betroffen waren und somit Geschäftsmodellanpassungen öfter notwendig waren (KfW Gründungsmonitor 2021). Darüber hinaus gründen viele Frauen im Nebenerwerb und damit sind sie mit ihrer Gründung weniger abhängig von der Konjunktur.

Die Weltwirtschaftskrise 2008/09 und die Coronakrise 2020/21

Das Gründungsgeschehen in Deutschland leidet unter der aktuellen Corona-Pandemie. Zur Einschätzung der Corona-Folgen lohnt sich ein Blick auf die Jahre 2008–2011. Während der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09 sank die Gründungsquote zwei Jahre lang, ging danach wieder spürbar nach oben. Besonders die Zahl der Chancengründungen nahm 2011 wieder merklich zu. Dieser Gründungstyp wird weniger stark von Arbeitsmarkteffekten beeinflusst und strebt in der Regel nach mehr Unabhängigkeit, erkennt eine Marktchance für die eigene Produktidee und versucht das Einkommen zu erhöhen.

Während der Coronakrise zeigte sich ein Anstieg der Chancengründungen, der mit 80 Prozent noch nie höher war (KfW Gründungsmonitor 2021). Anders als in Krisenzeiten erwartet werden kann, ist der Anteil der Notgründungen, die aus Mangel an besseren Erwerbsalternativen erfolgen, mit 16 Prozent dagegen so gering wie nie. Die rege Nutzung von Kurzarbeit milderte offenbar den Druck zur Selbstständigkeit deutlich ab. Selbst – oder insbesondere - in Krisenzeiten entstehen also Gründungschancen und werden entsprechend genutzt. Wie die Ergebnisse des GEM zeigen, basierte ein Viertel der Gründungen im Jahr 2020 auf Geschäftschancen, die sich während der Pandemie ergeben haben.

Zu hoffen ist, dass Entrepreneure auch in den nächsten Jahren Chancen in einer Gründung sehen. Potentiale liegen vor allem bei Gründungen mit digitalen Geschäftsmodellen (Bertschek & Erdsiek, 2020). Bereits jede dritte soloselbstständige Unternehmung konnte im Zuge der Krise ihren Digitalisierungsgrad erhöhen. Gründungen kennzeichnen sich häufig durch Resilienz und Flexibilität, die dabei helfen können, auf Krisen zu reagieren und diese zu überstehen (Wright, 2020). Hier könnten zusätzliche Investitionen zum einen in die Ausbildung digitaler Kompetenzen in Schulen und Hochschulen und zum anderen in den Frühphasen der Neugründungen helfen, wenn Entrepreneure Innovationen von gesamtgesellschaftlicher Relevanz planen. Ziel solcher Investitionen wäre es, die digitale Kompetenz der Gesellschaft, die digitale Transformation der Wirtschaft und den damit verbundenen Strukturwandel durch eine dynamische Gründungslandschaft zu unterstützen.

Definitionen und Erklärungen

TEA-Quote*

wird als Anteil derjenigen 18 bis 64-Jährigen, die während der letzten 3,5 Jahre ein Unternehmen gegründet haben und/oder gerade dabei sind, ein Unternehmen zu gründen, definiert.

Werdende Gründende

sind diejenigen 18–64-Jährigen, die zum Zeitpunkt der Befragung versuchen, alleine oder in Partnerschaft ein neues Unternehmen zu gründen, in den letzten zwölf Monaten etwas zur Unterstützung dieser Neugründung unternommen haben, eine Inhaber- oder Teilhaberschaft in diesem entstehenden Unternehmen anstreben sowie während der letzten drei Monate keine Vollzeitlöhne oder -gehälter bezahlt haben.

Gründende junger Unternehmen

sind diejenigen 18–64-Jährigen, die zum Zeitpunkt der Befragung Inhabende oder Teilhabende eines bereits bestehenden Unternehmens sind, bei dem sie in der Geschäftsleitung mithelfen sowie aus diesem Unternehmen nicht länger als dreieinhalb Jahre Gehälter, Gewinne oder Sachleistungen erhalten haben.

Methodik

Im Rahmen des Adult Population Survey (APS) wird weltweit jährlich eine repräsentative Stichprobe der erwachsenen Bevölkerung (18 bis einschließlich 64 Jahre alt) gezogen. Die zufällig ausgewählten Haushalte und Befragungspersonen werden telefonisch zu ihren Gründungsaktivitäten und -einstellungen befragt. Insbesondere die hohen Fallzahlen (Stichprobengröße mind. 2000 pro Jahr für Deutschland) und der lange Untersuchungszeitraum (ab 1999) erlauben tiefgehende, aussagekräftige Einblicke in das deutsche Gründungsgeschehen. Lediglich für das Jahr 2007 existiert eine Datenlücke für Deutschland.

 

Zu diesen und anderen Ergebnissen des aktuellen GEM 2020/21 ist ein kostenloser Infografiken-Band als Download unter http://rkw.link/infografiken2021 und ein kostenfreier Powerpoint-Datensatz erhältlich.

 

Weiterführende Studien

Bertschek, I. & Erdsiek, D. (2020): Soloselbstständigkeit in der Corona-Krise. Digitalisierung hilft bei der Bewältigung der Krise. ZEW-Kurzexpertise Nr. 20-08. Mannheim.

Metzger, G. (2021): KfW Gründungsmonitor. Gründungstätigkeit 2020 mit Licht und Schatten: Corona-Krise bringt Tiefpunkt im Vollerwerb, birgt für viele aber auch Chancen. KfW Research. Frankfurt am Main.

Metzger, G. (2020): Blitzbefragung: Auswirkungen der Corona-Pandemie treffen Selbstständige hart. KfW Research Fokus Volkswirtschaft. Frankfurt am Main.

Wright, F. (2020): Evaluating US Entrepreneurship during the Coronavirus Economic Crisis. Global Entrepreneurship Research Association.

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