Social Startups sprießen aus dem Boden wie Pilze und man kann es eigentlich auch nur für gut und sinnvoll halten, was die meisten beabsichtigen und bewirken. Und nicht selten sehnt sich so mancher danach, selber mal wirklich was „Sinnvolles“ oder gar „Gutes“ zu tun oder die Welt zu retten. Damit auch noch Geld zu verdienen und ein richtiges Business-Modell auf die Beine zu stellen, erscheint einem dann doch eher als unrealistisch oder mindestens als ziemlich riskant. Warum es aber für unsere Gesellschaft so wichtig ist, dass sich viele soziale Entrepreneure auf den Weg machen und wie sich unsere öffentliche Förderlandschaft für Social Startups ändern muss, haben wir Markus Sauerhammer gefragt. Er ist unter anderem Vorstand bei SEND e.V. und bloggt für eine enkeltaugliche Zukunft.

RKW Magazin: „Social Entrepreneurship“ ist in aller Munde – was bedeutet das und warum brauchen wir mehr soziale Unternehmer in Deutschland?

Markus Sauerhammer: Mit der Digitalisierung sind wir in einen Epochenwandel eingetreten. Beim letzten großen Umbruch durch die Industrialisierung haben wir uns zu Beginn auch auf die wirtschaftlichen Mehrwerte fokussiert und diesen mit einer Reihe sozialer/gesellschaftlicher Innovationen flankiert: Krankenkassen, Rentensystem, Unfallversicherung, Arbeitslosenversicherung, Genossenschaften oder Gewerkschaften sind nur einige der Errungenschaften dieser Zeit. In der aktuellen Transformationsphase werden bahnbrechende Innovationen zumeist von Startups realisiert. Also von Akteuren außerhalb bestehender Strukturen. Analog nutzen Social Entrepreneurs Innovation und Unternehmergeist für eine nachhaltige und zeitgemäße Lösung unserer gesellschaftlichen Herausforderungen. Die Studie „The best Country to be a Social Entrepreneur“1 hat ermittelt, dass Deutschland unter den 45 wirtschaftlich stärksten Nationen insgesamt Rang 12 belegt – bei dem Punkt „Unterstützung durch die Politik der Regierung“ aber nur noch auf Rang 34 landet. Umso wichtiger ist das klare Bekenntnis der Regierung im Koalitionsvertrag auf bessere Rahmenbedingungen hinzuarbeiten.

Unser Schwerpunktthema ist „Unternehmergeist“. Gibt es einen besonderen Geist, der allen oder zumindest vielen sozialen Unternehmern innewohnt?

Ich sehe es eher, dass wir wieder zurück zu den Wurzeln von Unternehmergeist kommen. Unternehmertum kommt von unternehmen. Die heutige Bedeutung ist erst im 18. Jahrhundert – also zu Zeiten der Industrialisierung – entstanden. Die Stärke unserer Wirtschaft beruht auf den Werten einer sozialen Marktwirtschaft und denen des ehrbaren Kaufmanns. Sieht man sich die Entwicklung der letzten Jahre an, hat die Orientierung an diesen Werten nachgelassen. Nehmen wir die großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit ernst, so brauchen wir dringend mehr Unternehmergeist für deren Bewältigung und damit eine Rückkehr zu den gewachsenen Werten unseres Landes! Viele der Social Entrepreneure leben genau das!

Ab wann bin ich keine gemeinnützige Organisation mehr, sondern ein soziales Unternehmen? Wo liegen die Unterschiede?

So klar ist die Abgrenzung nicht zu treffen. In dem Zusammenhang erzähle ich gerne drei Erlebnisse, wie wir von unterschiedlichen Akteuren wahrgenommen werden:
Die Vertreterin eines großen Wirtschaftsverbandes sieht in Social Entrepreneurship eine Fortschreibung unserer Werte des ehrbaren Kaufmanns. Somit knüpft der Sektor an die Tradition des deutschen Mittelstandes an. Der Vertreter eines Wohlfahrtsverbandes verglich uns mit der Entstehung neuer Wohfahrtsorganisationen, die Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden. Nur stehen bei uns Innovation und unternehmerische Instrumente im Mittelpunkt. Bei der Diskussionsrunde mit Vertretern einer Partei sagte jemand aus der Runde: „Eigentlich ist es mit den Social Entrepreneurs ähnlich wie bei der Gründung der Grünen: Ihr nehmt Euch der Probleme an, die die bestehende Parteienlandschaft nicht zufriedenstellend löst. Aber anstatt eine neue Partei zu gründen, macht Ihr euch direkt an die Lösungen.“

Je nach Blickwinkel stimme ich allen Akteuren zu. Im Kern geht es Social Entrepreneurs darum ganzheitliche Lösungen unserer gesellschaftlichen Herausforderungen zu realisieren.

Auch soziale Unternehmen können nicht von Luft und Liebe leben. Wie finanzieren sich beispielsweise die Mitglieder von SEND?

Dies variiert stark. Wir haben Mitglieder, die sich komplett aus den Umsätzen finanzieren und teilweise sogar an der Rentabilität klassischer Unternehmen vorbeiziehen. Schwieriger ist es in Bereichen, die traditionell in der Hand von Wohlfahrt oder öffentlicher Hand sind. Hier gibt es viele Eintrittsbarrieren und wir sind weit von einer Chancengleichheit entfernt. In diesen Feldern unterstützen in der Aufbauphase oft Stiftungen oder die CSR-Abteilungen von Unternehmen.

Für die Gründungsphase nutzen viele Social Entrepreneurs Crowdfunding oder Stiftungsfinanzierung. Zudem entwickelt sich Impact Investing zunehmend als Instrument für die Wachstumsphase. Eine große Herausforderung bleibt, dass es im Gegensatz zu klassischen Startups kaum öffentliche Finanzierungs- und Förderinstrumente gibt. Diesen Änderungsbedarf sieht auch das parteiübergreifende Thesenpapier² vom Progressiven Zentrum und von der Bertelsmann Stiftung für einen Transfer unserer sozialen Marktwirtschaft in die heutige Zeit:

Viele neue, junge GründerInnen verstehen sich als Social Entrepreneurs und verschieben bewusst die Grenze zwischen Non-Profit und Profit, indem sie die problemlösende, gesellschaftliche Wirkung in den Vordergrund stellen. Eine Öffnung der traditionellen Förderstrukturen für solche Start-Ups würde helfen, dieses unternehmerische und gesellschaftliche Potenzial besser auszuschöpfen.

Markus Sauerhammer war Landwirt, Gründer und Gründungsberater. Er hat einen Abschluss als Diplom-Wirtschaftsingenieur (FH) sowie einen Executive MBA zu Unternehmensgründung und Innovationsmanagement. Bis Februar 2018 war er bei der Crowdfunding-Plattform Startnext für Kooperationen verantwortlich und im Vorstand des European Crowdfunding Network (ECN). Ehrenamtlich engagiert er sich als Koordinator Social Entrepreneurship beim Bundesverband Deutsche Startups (BVDS) und als 1. Vorstand vom Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND). Unter tellerrandspringer.de bloggt er zu Potenzialen der digitalen Transformation für die Gestaltung einer enkeltauglichen Zukunft.

Dieser Beitrag ist in gekürzter Form dem RKW Magazin 2/2018 entnommen. Gern können Sie weitere Beiträge per Online-PDF lesen oder gleich eine Printausgabe bestellen:

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Julia Niles Zentralbereich / Referentin Kommunikation/Öffentlichkeitsarbeit

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Julia Niles